Das Beweissicherungsverfahren
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Das Beweissicherungsverfahren
Das Beweissicherungsverfahren in § 485 ff ZPO spielt speziell im Baubereich bei Streitigkeiten eine besondere und entscheidende Rolle.
Rein rechtlich handelt es sich um die Vorwegnahme einer Beweisaufnahme, was unter mehreren rechtlichen Gesichtspunkten von Bedeutung sein kann.
Aber was ist ein Beweissicherungsverfahren?
Dieses Verfahren kann im Baubereich eingeleitet werden, wenn man vorab feststellen will, ob ein bestimmter baulicher Zustand als Mangel zu qualifizieren ist bzw. wenn man sich sicher ist, dass ein baulicher Mangel vorliegt und dies vorab prozessual sicher feststellen lassen will, z.B. weil man nach der Feststellung weiterbauen muss oder die Leistung verändert und dann eine Feststellung der Mängel nicht mehr möglich ist, weil diese u.U. dann beseitigt wurden.
Soweit zur Theorie, die sich sehr hilfreich anhört.
Die Praxis stellt sich leider etwas anders dar.
Beweissicherungsverfahren laufen je nach Streitwert, also dem Wert des rechtlichen Interesses an der Feststellung, vor den Amtsgerichten oder den Landgerichten, wenn der Streitwert über 5.000,00 € liegt.
Da in der Sache im Normalfall ein Sachverständiger mit der Begutachtung beauftragt werden muss, ziehen sich die Verfahren gerade im Baubereich erheblich in die Länge. Unter einem halben Jahr dürfte kein Verfahren beendet sein. In der Regel ist im Baubereich durchschnittlich nach meiner eigenen Erfahrung mit einer Laufzeit von 1 – 2 Jahren zu rechnen sein. Sollten die Feststellungen bei Objekten einer WEG ein Mehrfamilienhaus betreffen sind auch 4 – 5 Jahre nicht auszuschließen. Spitzenreiter bei mir war eine 5 geschossige Tiefgarage mit einer Laufzeit von über 11Jahren.
Damit soll aber das Verfahren als solches nicht schlecht gemacht werden, man muss nur wissen, wann dieses Verfahren sinnvoll eingesetzt werden kann und wann es von vorneherein nicht in Betracht kommt.
Besteht daher in der Ausgangssituation Zeitdruck, um die Feststellungen zu treffen, ist im Regelfall die Einleitung eines Beweisverfahrens nicht das richtige Instrument, um eine bauliche Feststellung prozessfest zu machen. In diesem Fall besteht nur die Möglichkeit, einen Sachverständigen einzuschalten, der den baulichen Zustand intensiv dokumentiert, um gegebenenfalls in einem folgenden gerichtlichen Verfahren den Bauzustand nachweisen zu können.
An dieser Stelle möchte ich aus meinen eigenen Erfahrungen ausdrücklich darauf hinweisen, dass für derartige Feststellungen ein insbesondere in gerichtlichen Verfahren erfahrener Sachverständiger beauftragt werden sollte. Das Problem besteht darin, dass der Sachverständiger aufgrund seiner Erfahrung all die Feststellungen treffen muss, die im Rahmen eines nachfolgenden gerichtlichen Verfahrens der dann vom Gericht beauftragte Sachverständige untersuchen muss. Da der gerichtlich bestellte Sachverständige dies dann nicht mehr anhand des konkreten Bauvorhabens vor Ort feststellen kann, muss die Dokumentation des privat beauftragten Sachverständigen so ausführlich sein, dass der gerichtlich bestellte Sachverständige alleine anhand der Dokumentation die Feststellungen treffen kann, um eine abschließende Beurteilung abgeben zu können. Der privat beauftragte Sachverständige muss daher vorab wissen, was der gerichtlich bestellte Sachverständige in einem späteren Verfahren alles sehen will. Die Dokumentation muss daher äußerst ausführlich sein. Dies bedeutet auf der anderen Seite, dass diese Feststellungen erhebliche Kosten verursachen.
Diese Darstellung zeigt, dass die Entscheidung, ein Beweisverfahren einzuleiten oder die Feststellungen privat zu treffen, gut abgewogen werden müssen, um die Erfolgsaussichten optimal zu wahren.
Ich habe es in einigen Verfahren erlebt, dass auch erfahrene Sachverständige letztendlich nicht in der Lage waren, bestehende Mängel und deren Ursachen so zu dokumentieren, dass auch ein Kollege im Nachgang in der Lage ist, eine entsprechende Beurteilung abzugeben.
Hierbei ist sicherlich auch zu berücksichtigen, um welche Feststellungen es sich handelt. Einfache Sachverhalte dürften einer privaten Dokumentation eher zugänglich sein, als komplexe Sachverhalte.
Es bleibt daher abschließend festzustellen, dass bereits vor Einleitung eines Beweisverfahrens eine intensive Auseinandersetzung mit der bestehenden Situation erfolgen muss. Wenn an dieser Stelle Fehler in der Entscheidungsfindung gemacht werden, können diese massive Auswirkungen auf die Erfolgsaussichten im Rahmen der Durchsetzung der Ansprüche haben.
Sollte sich der Mandant letztendlich dafür entscheiden, ein Beweisverfahren einzuleiten, besteht der nächste Schritt darin, die Fragen, die letztendlich ein Sachverständiger zu beurteilen hat, so konkret zu formulieren, dass die Feststellungen des Sachverständigen dann im Weiteren auch tatsächlich verwertbar sind.
Hier ist zunächst darauf zu achten, dass nur Tatsachen festgestellt werden können. Eine rechtliche Auseinandersetzung erfolgt zu diesem Zeitpunkt nicht. Sollte es daher letztendlich um eine rechtliche Beurteilung gehen, wäre das Beweisverfahren wiederum nicht das richtige Instrument.
Auf die Formulierung der Feststellungen sollte wesentlicher Wert gelegt werden. Je exakter und konkreter die beantragten Feststellungen sind, desto klarer ist auch der Auftrag an den Sachverständigen und erleichtert ihm seine Tätigkeit. Hierbei muss auch berücksichtigt werden, welche Feststellungen tatsächlich in einem späteren Verfahren überhaupt benötigt werden.
Nach dem der Antrag gestellt und der Gegner hierzu gehört wurde, erlässt das Gericht einen Beweisbeschluss und beauftragt einen Sachverständigen mit der Begutachtung. Hierbei obliegt dem Gericht die Auswahl des Sachverständigen.
Hieran schließt sich die Terminbestimmung des Sachverständigen an, der seine Feststellungen in der Regel vor Ort trifft. Hier besteht die Aufgabe darin, den Sachverständigen soweit als möglich hinsichtlich der Fragestellungen zu unterstützen, um die Feststellungen in die gewünschte Richtung zu leiten. Wichtig in diesem Zusammenhang ist neben den sachlichen Fragen, insbesondere wenn private Parteien beteiligt sind, auf die Parteien einzuwirken, dass es nicht zu emotionalen Auseinandersetzungen vor Ort kommt. Diese sind im Rahmen der Feststellungen des Sachverständigen auch nicht hilfreich.
In einem weiteren Schritt verfasst der Sachverständige dann sein Gutachten. Dies wird den Parteien zur Stellungnahme übermittelt. Werden weitere Fragen gestellt, entscheidet das Gericht, ob der Sachverständige diese Fragen zu beantworten hat. Dies kann auch dazu führen, dass mehrere Ergänzungsgutachten vom Sachverständigen zu erstellen sind.
Wenn keine weiteren Fragen gestellt werden, endet das Verfahren ohne Entscheidung. Da die Einleitung eines Beweisverfahrens auch unter Verjährungsgesichtspunkten erheblich von Bedeutung sein kann, ist dies unbedingt zu beachten. Mit der letzten prozessualen Handlung beginnt dann auch die Frist zum Auslaufen der Hemmung der Verjährung.
Die Besonderheit des Beweisverfahrens liegt darin, dass nur tatsächliche Feststellungen getroffen sind. Der Mandant ist daher gehalten, nach Vorlage des abschließenden Gutachtens kurzfristig zu entscheiden, wie die Sache weiter betrieben wird, wenn hier Verjährung droht.
In vielen Fällen führt die Feststellung des Gutachters aber auch dazu, dass sich die Parteien dann einvernehmlich einigen, weil davon auszugehen ist, dass im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens keine Änderung in der Beurteilung mehr eintreten wird. Dies betrifft aber nur Fragestellungen technischer Art. Sind Rechtsfragen zu klären, werden diese in diesem Verfahren nicht geklärt.
In der Praxis ist es zwar so, dass viele Gerichte auch im Rahmen eines nachfolgenden Gewährleistungsprozesses noch dann neu entstehende Fragen durch einen Sachverständigen zulassen, obwohl dies prozessual an sich nur unter sehr engen Voraussetzungen überhaupt zulässig ist. Trotzdem kann man in der Regel davon ausgehen, dass im Falle eines sauber vorbereiteten Beweisverfahrens und einer abschließenden Klärung aller Fragen zum Gutachten, diese Feststellungen auch in einem Folgeverfahren nicht mehr geändert werden. Hierdurch kann eine gewisse Sicherheit in der Beurteilung des Sachverhalts vorweggenommen werden.
Im Ergebnis kann daher festgehalten werden, dass das Instrument des Beweisverfahrens in bestimmten Fällen im Ergebnis zu einer Beschleunigung des Einigungsprozesses führen kann. Es ist jedoch vorab eine intensive Beurteilung des Sachverhaltes und Beratung des betroffenen Mandanten erforderlich, um für ihn das richtige Instrument auszuwählen.